Die deutsche Schiffs- Seepost und die Philatelie

In der Zeit vor dem Einsatz von Flugzeugen im Postdienst waren die großen Entfernungen nach überseeischen Gebieten nur mit Hilfe von Schiffen zu bewältigen. Der Zeitbedarf für diesen Transport war enorm. Ein Brief nach Nordamerika benötigte mehrere Wochen und in abgelegene Gebiete ohne einen nahen Hafen waren monatelange Beförderungszeiten nicht ungewöhnlich.

Im Laufe der Jahrhunderte waren von Reedereien und Schifffahrtslinien Seeverbindungen zu allen wichtigen Häfen sämtlicher Erdteile eingerichtet worden. Die Deutsche Reichspost verfügte jedoch über keine eigenen Kommunikationswege zu Wasser und war deshalb gezwungen, die Dienste privater Unternehmen in Anspruch zu nehmen, wenn sie einen Postverkehr mit überseeischen Destinationen und dabei besonders mit den im ausgehenden 19. Jahrhundert errichteten deutschen Kolonien und Schutzgebieten betreiben wollte.

Von Seepost oder "Kontraktpost" spricht man, wenn an Bord eines Schiffs eine von der Post autorisierte Einrichtung existierte, die mit einem Postbeamten besetzt war. Hier wurden die von einem dazu bestimmten Postamt im Raum des Ausgangshafens in Säcken und Beuteln angelieferten Poststücke in Empfang genommen und im Allgemeinen während der Fahrt des Schiffs umgearbeitet.


Lang und beschwerlich war die Schifffahrt nach Übersee und zu den Kolonien in Südwestafrika im 19. Jahrhundert wie hier mit einem Dampfer der Woerman-Linie - auch für die Post.

Wesentlicher Teil dieser Arbeit war die Aufteilung der Sendungen auf Bestimmungsorte im Bereich des Zielhafens oder die Weiterleitung von dort. Die jeweilige Seeposteinrichtung durfte auch von den Passagieren und der Besatzung des Schiffs genutzt werden.

Die Seepost erlangte in Deutschland, Großbritannien und Frankreich zum Ende des 19. Jahrhunderts besonders im Verkehr mit Afrika und den Vereinigten Staaten von Amerika erhebliche Bedeutung. Die damit beförderten Sendungen wurden zunächst mit besonderen Stempeln kenntlich gemacht, auf denen die Beförderungsart, z. B. "Mit Seepost aus Westafrika", und oft auch die genutzte Schifffahrtslinie, z. B. "Woermann‑Dampfer", angegeben waren.

    
Die Marken der HAPAG sind recht selten und auf ganzen Belegen eine gesuchte Rarität.


Die Marken der Deutschen Versicherungsbank Berlin mit recht hohen Nominalen, hier zu 15 und 25 Mark wurden zur Freimachung von Wertbriefen nach Übersee, deren Beförderung meist per U‑Boot erfolgte, verwendet. Dieser Dienst wurde mit dem Kriegseintritt der USA eingestellt.

Zwei deutsche Reedereien hatten von der Deutschen Reichspost die Genehmigung erhalten, eigene Briefmarken herauszugeben und zu verwenden, welche von Spezialsammlern sehr gesucht sind. In den Jahren von 1875 bis 1879 benutzte die "Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft" (HAPAG) großformatige dreifarbige Marken, die eine Gesamtauflage von 120.000 Stück erreichten und lose in beiden Erhaltungen zu den mittleren, auf ganzen Belegen aber zu den größeren Seltenheiten gehören.

Im Verlauf des Ersten Weltkriegs richtete die Deutsche Ozean-Reederei ab 1916 für die Deutsche Versicherungsbank Berlin einen Unterseebootdienst in die Vereinigten Staaten ein, mit dessen Hilfe die in beachtlicher Menge anfallenden Wertbriefe transportiert werden konnten. Die Marken weisen hohe Nominale von 5 bis 50, später sogar 100 Mark auf, auch sie sind lose recht selten und auf ganzem Beleg sehr rar. Mit Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wurde dieser Dienst eingestellt.


Dieser Brief wurde 1847 von New York über Bremen nach Steyr in Österreich befördert. Er wurde von Bremen per Stadtpost sowie von der hannoverschen und sächsischen Post weitergeleitet. Das Porto belief sich auf insgesamt 4 5/12 Gutegroschen und 30 Neupfennig, insgesamt in österreichischer Währung den ansehnlichen Betrag von 25 Kreuzern.

Im Unterschied zur Seepost spricht man von Schiffspost, wenn der Postdienst an Bord nicht von Postbeamten, sondern von damit beauftragten Besatzungsmitgliedern verrichtet wurde. Privatpersonen oder Einrichtungen der Post übergaben dem zuständigen Schiffspersonal die Dokumente zur Beförderung, im Ankunftshafen wurden sie den mit der Abfertigung beauftragten Firmen oder auch vorhandenen postalischen Einrichtungen zur Bestellung übergeben. Solche Sendungen wurden stets mit regulären Postwertzeichen frankiert. Sie erhielten zur Kenntlichmachung lediglich besondere zusätzliche Stempel. Im Falle von Markenmangel war Barfrankierung vorgeschrieben. Der Nichtbeachtung dieser Vorschrift verdanken die bekanntesten und teuer gehandelten Marine-Schiffspostbelege, darunter das "Vineta-Provisorium", ihre Existenz. Sie werden von vielen sachverständigen Philatelisten als nicht dem Bedarf entsprechend, sondern als unter spekulativen Absichten entstanden betrachtet.


Von Bremen über New York nach Lima/Peru wurde dieser Brief 1864 für 12 1/4 Groschen befördert.
Der Stempel " PAID " weist auf die Begleichung des Portos hin.

Neben der eben beschriebenen Art von Schiffspost gibt es auch eine besondere Gattung, die auf Binnengewässern (z. B. dem Bodensee) zur Verwendung kam und oft weniger postalischen Bedürfnissen als der Erfüllung philatelistischer Wünsche diente. Derartige Belege tragen neben deutschen, schweizerischen und österreichischen Frankaturen zuweilen auch noch die der Staaten Bayern und Württemberg, welche zu Anfang des 20. Jahrhunderts noch eigene Wertzeichen verwendeten. Ihre Wertigkeit und philatelistische Bedeutung sind deutlich geringer als die der anderen Stücke.


Brief von 1875 von Liverpool über Southampton und St Thomas nach Puerto Plata/Haiti. Von St. Thomas wurde er von der Firma F.J D. Jürgens & Co. im Auftrag der HAPAG weitergeleitet. Deshalb wurde auch die britische Frankatur überklebt.

Schiffs- und Seepost haben heute keine praktische Bedeutung mehr, weil mit Hilfe des weltweit lückenlosen Flugnetzes auch die entlegensten Orte der Erde in kürzester Zeit erreichbar sind. Die etwa 100 Jahre alten postalischen Dokumente der Postbeförderung zu Wasser zeugen eindrucksvoll von den damals mit großem Zeitaufwand und oft unter starker Gefährdung aufrechterhaltenen Verbindungen. Sie stellen ein eigenständiges reizvolles und nicht gerade preisgünstiges Sammelgebiet dar.

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